Tom Kaffeeaufbereitungsanlage

Direct Trade vs. Fairtrade vs. Bio: Was ist wirklich nachhaltig?

von Franz Morish

Kurzüberblick: So nutzt Du diesen Vergleich

 

Wir bei Franz Morish - Kaffeerösterei in Leipzig - werden oft gefragt: Was ist nachhaltiger Kaffee? Direct Trade, Fairtrade oder Bio?

 

Hier bekommst Du einen klaren, fairen Kaffee-Siegel Vergleich – mit Praxisbeispielen aus dem Spezialitätenkaffee, konkreten Fragen für den Einkauf und Tipps für Leipzig und die Region.

 

  • Wenn Dir Transparenz und Qualität wichtig sind: Lies den Abschnitt zu Direct Trade.
  • Wenn Du soziale Mindeststandards suchst: Schau Dir Fairtrade und den Fairtrade Preis Kaffee an.
  • Wenn Du chemiearmen Anbau priorisierst: Orientiere Dich am Bio Siegel Kaffee.
  • Wenn Du den Gesamtblick willst: Direktvergleich und Checkliste am Ende nutzen.

 

 

 

Nachhaltigkeit im Kaffee-Kontext

 

Drei Säulen: ökologisch, sozial, wirtschaftlich

 

  • Ökologisch: Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Wasserqualität, Einsatz von Pestiziden/Düngern, Klimawirkung.
  • Sozial: Sichere Arbeit, faire Bezahlung, Geschlechtergerechtigkeit, Mitbestimmung, Gesundheitsschutz.
  • Wirtschaftlich: Stabiler, kostendeckender Preis, Risikoausgleich, Investitionsfähigkeit, Marktchancen.

Nachhaltiger Kaffee gelingt, wenn alle drei Säulen zusammenwirken. In der Praxis setzen Direct Trade, Fairtrade und Bio unterschiedliche Schwerpunkte – und können sich sinnvoll ergänzen.

 

 

Direct Trade im Überblick

 

Definition, Merkmale, Nachweise (Farmgate-Preis, Lot-Infos)

 


Direct Trade (Direkthandel Kaffee) bedeutet: Rösterei und Farm handeln direkt miteinander, oft über Jahre. Der Begriff ist nicht geschützt – entscheidend sind belegte Fakten:

  • Transparente Lot-Infos: Farmname, Region, Varietät, Aufbereitung, Erntejahr, Lotgröße.
  • Preis-Transparenz: Farmgate-Preis (ab Hof) und/oder FOB-Preis (frei an Bord) mit Kontext zu Qualität und Risiken.
  • Langfristige Beziehung: Wiederkehrende Käufe, gemeinsame Qualitätsarbeit, Feedback.
  • Qualitätsfokus: Cupping-Scores, sensorische Profile, getrennte Lots statt Mischungen.

Nachweise sind zentral: Verträge, Preistransparenzberichte, Kooperationsjahre, Besuche, unabhängige Audits oder Third-Party-Checks (z. B. Importpartner mit Open-Books).

Vorteile und Grenzen für Farmer und Röstereien

  • Vorteile für Farmer: Höhere, oft über Markt liegende Farmgate-Preise, planbare Abnahme, Qualitätsprämien, direkte Kommunikation.
  • Vorteile für Röstereien: Rückverfolgbarkeit, konstante Qualität, Differenzierung im Spezialitätenkaffee, gemeinsame Produktentwicklung.
  • Grenzen: Höheres Risiko (Ernteausfälle, Logistik), Vorkapitalbindung, begrenzte Skalierung, keine externen Siegel als Abkürzung – Vertrauen muss belegt werden.

Tom auf Kaffeefarm mit Kaffeepflückerinnen

 

Fairtrade im Überblick

 

Abdeckung des Siegels: Soziales, Mindestpreise, Prämie

Fairtrade ist ein Sozialsiegel mit Fokus auf Kleinbauernorganisationen. Es setzt Mindeststandards für demokratische Strukturen, Arbeitsrechte und Rückverfolgbarkeit. Kerninstrumente sind:

  • Mindestpreis: Schutz nach unten, wenn der Weltmarktpreis fällt.
  • Fairtrade-Prämie: Zweckgebundene Zusatzmittel für Gemeinschaftsprojekte (z. B. Ausbildung, Infrastruktur).
  • Zusätzliche Aufschläge für Bio (Bio-Differential), wenn der Kaffee zertifiziert ist.

Fairtrade ist gut skalierbar und schafft Basisschutz, ersetzt aber nicht automatisch hohe Qualität oder volle Preistransparenz bis zur Farm.

 

Wie entsteht der Fairtrade-Preis? Mindestpreis, Prämie, Bio-Differential, Differentials


Der Fairtrade-Preis für Kaffee setzt sich vereinfacht so zusammen:

  1. Der höhere Wert aus: Marktpreis (plus Qualitäts-Differentials) ODER festgelegter Fairtrade-Mindestpreis.
  2. Plus Fairtrade-Prämie (zweckgebunden für Projekte der Kooperative).
  3. Plus Bio-Differential, wenn der Kaffee zusätzlich Bio-zertifiziert ist.

Wichtig: Der bezahlte Preis bezieht sich in der Regel auf FOB (Export) – Abzüge für Verarbeitung, Inlandstransport und Export senken den Farmgate-Anteil. Je transparenter Kooperative und Käufer berichten, desto besser lässt sich die Wirkung einschätzen.

 

 

Bio-Zertifizierung (EU-Öko/DE-ÖKO) im Überblick

 

Kriterien, Kontrollen, Umstellungszeit, Kosten


Das EU-Öko-Siegel (in Deutschland: DE-ÖKO-Kontrollnummer) regelt vor allem den Anbau und die Verarbeitung:

  • Ohne synthetische Pestizide und leicht lösliche Mineraldünger; Fokus auf Bodengesundheit und Biodiversität.
  • Getrennte Lagerung/Verarbeitung, Rückverfolgbarkeit und jährliche externe Kontrollen.
  • Umstellungszeit: meist 2–3 Jahre bis zur vollen Bio-Zertifizierung.
  • Kosten: Zertifizierung/Inspektionen; oft über Kooperativen organisiert, damit Kleinbauern teilhaben können.

Bio schafft verlässliche ökologische Mindeststandards – besonders relevant für Kundinnen und Kunden, die Rückstände und Umweltwirkungen reduzieren wollen.

Grenzen: Bio ≠ automatisch fair

Bio macht Kaffee nicht automatisch sozial fair. Einkommen, Prämien oder Preisgestaltung sind nicht Teil des Bio-Regelwerks. Deshalb ist die Kombination aus Bio-Praxis und belegbarer Bezahlung (Direct Trade oder Fairtrade) oft der stärkste Hebel.

 

 

Direktvergleich: Direct Trade vs. Fairtrade vs. Bio

 

Transparenz, Risiko, Qualität, Skalierung, Kosten

  • Transparenz: Direct Trade kann die höchste Preistransparenz (Farmgate/FOB, Lot-Details) liefern; Fairtrade bietet Systemtransparenz, aber selten Farmgate-Einblicke; Bio fokussiert auf Anbau und Rückverfolgbarkeit.
  • Risiko: Direct Trade trägt Markt-, Qualitäts- und Logistikrisiken direkt; Fairtrade federt Preisschwankungen ab; Bio beeinflusst Risiken kaum, kann aber Ertragseffekte haben.
  • Qualität: Direct Trade priorisiert Qualität (Spezialitätenkaffee, einzelne Lots); Fairtrade ist qualitätsagnostisch, kann aber Qualität fördern; Bio-Qualität hängt von Farmmanagement ab, nicht vom Siegel selbst.
  • Skalierung: Fairtrade skaliert gut über Kooperativen; Bio ebenfalls. Direct Trade skaliert über Beziehungen, also selektiver – dafür tiefer in der Wirkung.
  • Kosten: Direct Trade zahlt oft höhere Farmgate-Preise und investiert in Beziehung/Qualität; Fairtrade verlangt Prämien und Organisationsaufwand; Bio verursacht Zertifizierungs- und Umstellungskosten.

Kurz: Fairtrade vs Bio ist kein Entweder-oder. Der stärkste Hebel entsteht, wenn echter Direkthandel Kaffee mit Bio-Praxis zusammenspielt – und Zahlen offen gelegt werden.

 

 

Bester Weg für den Kaffeeimport

 

Warum echter Direkthandel Rösterei–Farm am nachhaltigsten ist


Wenn wir als Rösterei die Produktionskosten verstehen und Farmgate-Preise über diese Kosten plus eine gesunde Marge bezahlen, stärken wir die wirtschaftliche Säule. In Kombination mit Bio-Praktiken und verlässlichen Abnahmen entstehen Investitionen in Böden, Qualität und Menschen. Diese tiefe Zusammenarbeit schafft Resilienz – für Farm und Rösterei.

Praxis: Pre-Contracts, Vorfinanzierung, FOB vs. Farmgate-Transparenz

  • Pre-Contracts: Frühzeitige Verträge vor der Ernte geben Planungssicherheit und ermöglichen Qualitätsarbeit auf dem Feld und im Processing.
  • Vorfinanzierung: Teilzahlungen für Betriebsmittel oder Aufbereitung (z. B. Trocknungsbetten, Fermentationskontrolle) – transparent dokumentiert.
  • FOB vs. Farmgate: Wir veröffentlichen Kontext – z. B. Farmgate-Preis, lokale Kosten (Milling, Inlandstransport), Export/FOB – damit Du den Wertfluss nachvollziehen kannst.
  • Open Cupping & Feedback: Gemeinsame Sensorik und Wissenstransfer erhöhen Qualität über Jahre.

 

 


Einkaufstipps

 

Woran Du Direct Trade erkennst (Fragen, Belege, Preise)

  • Frage nach Farmnamen, Varietät, Aufbereitung, Erntejahr und Lotgröße.
  • Lass Dir Farmgate- oder FOB-Preise im Kontext erklären (Qualität, Risiko, Vorfinanzierung).
  • Suche nach Preistransparenzberichten oder konkreten Vertragslaufzeiten.
  • Teste saisonale Lots im Cupping – Spezialitätenkaffee lebt von Frische und klaren Aromen.

Unser Ziel bei Franz Morish: Austausch auf Augenhöhe und Verantwortung entlang der gesamten Kette.

Saisonale Verfügbarkeit: Erntefenster & Frische

Kaffee ist ein landwirtschaftliches Produkt – Erntefenster variieren je nach Herkunft. Beispielhaft:

  • Zentralamerika: Ernten meist Nov.–März, Ankünfte in Europa ab Frühling/Sommer.
  • Ostafrika: Ernten oft Okt.–Feb. (Äthiopien), Ankünfte im Sommer/Herbst.
  • Südamerika: Ernten variieren (z. B. Brasilien Mai–Sept.), Ankünfte Herbst/Winter.

Tipp: Frage nach Erntejahr und Shiplot/Ankunft. Frische Röstungen mit klarer Angabe zum Crop Year sind ein gutes Zeichen für Qualität und Transparenz.

 


Checkliste & Ressourcen

 

Fragenkatalog an Röstereien, seriöse Quellen, Glossar

Deine Checkliste für nachhaltigen Einkauf:

  • Wer ist die Farm/Kooperative? Gibt es Lot-Infos (Varietät, Prozess, Erntejahr)?
  • Wie hoch sind Farmgate- und/oder FOB-Preis und wofür zahlen sie (Qualität, Risiko, Services)?
  • Gibt es Preistransparenzberichte oder mehrjährige Verträge?
  • Ist der Kaffee Bio-zertifiziert oder werden Bio-Praktiken umgesetzt? Wer kontrolliert das?
  • Gibt es soziale Programme (Prämien, Weiterbildung, Sicherheit)? Wie werden diese belegt?
  • Wie wird Qualität bewertet (Cupping, Scores, unabhängige Panels)?

Seriöse Ressourcen:

Glossar (kurz):

  • Farmgate: Preis, den die Farm erhält (ab Hof, vor Inlandskosten).
  • FOB: Preis beim Export (frei an Bord), enthält Verarbeitung/Logistik im Herkunftsland.
  • Differentials: Zuschläge/Abschläge zum Marktpreis je Qualität/Herkunft.
  • Lot: Abgrenzte Partie Kaffee, oft mit eigenen Sensorikprofilen.

 


FAQ

 

Was ist Direct Trade beim Kaffee?

Direct Trade bedeutet den direkten Einkauf zwischen Rösterei und Farm mit transparenten, oft über Markt liegenden Farmgate-Preisen, langfristigen Beziehungen und Qualitätsfokus. Der Begriff ist nicht geschützt – Nachweise sind entscheidend.

Ist Bio-Kaffee automatisch fair gehandelt?

Nein. Bio regelt vor allem den Anbau ohne synthetische Pestizide und mit Rückverfolgbarkeit. Soziale Aspekte wie Einkommen oder Prämien decken Bio-Siegel nicht umfassend ab.

Was ist nachhaltiger: Direct Trade, Fairtrade oder Bio?

Am stärksten wirkt echter Direkthandel mit transparenter Bezahlung über Produktionskosten, kombiniert mit Bio-Praxis. Siegel sind hilfreich, wenn Transparenz fehlt, ersetzen aber keine belegbare Preis- und Beziehungsarbeit.

Woran erkenne ich echten Direct Trade?

Frage nach Farmnamen, Varietäten, Erntejahr, Prozess, Farmgate- oder FOB-Preisen und Vertragslaufzeiten. Gute Röstereien veröffentlichen Lot-Infos und Preistransparenzberichte.

Wenn Du noch tiefer einsteigen willst: Komm auf einen Kaffee vorbei, tausche Dich mit uns aus, oder nimm unsere Checkliste mit zur nächsten Verkostung. Wir freuen uns auf Deinen Qualitätsanspruch und auf den gemeinsamen Weg zu nachhaltigem Kaffee.

 

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